Mehrteiler | Der besondere Ort mit den besonderen Vereinen!

1. Teil von 4 | Ein Mehrteiler über Merbeck

TEIL 2 LESEN

» zum 2. Teil

 

TEIL 3 LESEN

» zum 3. Teil

 

TEIL 4 LESEN

» zum 4. Teil

Eine absolut / total / unbedingt und so weiter nicht ernstzunehmender Mehrteiler von Peter Albra Brenner und im Namen des Dorfausschusses, der noch nix von seinem Glück weiß, was ganz gut so ist und auch so bleiben soll.

Für die geschichtliche Richtigkeit der wiedergegebenen Ereignisse wird keine Gewähr übernommen.

 

Also gut. Jetzt geht es los. So richtig. Versprochen. Also …

Eines Tages, wir schreiben das Jahr 1280, reitet Siegfried von Westerburg durch die Lande, namentlich in den Gefilden des Niederrheins, nicht ahnend, dass ihn die kommenden Ereignisse na, sagen wir mal, zumindest nachdenklich machen werden. Das kann bei all den Begebenheiten nicht ausbleiben. Diese werden ihn als Person nicht verändern, das wäre des Guten auch zu viel, aber sie werden seinen Blick auf eine dörfliche Gemeinschaft umformen, so viel sei schon einmal verraten.

Aber der Reihe nach. Die Wälder dehnen sich, das Wild tummelt sich in Massen, was liegt da näher, als sich die Zeit mit Jagen zu vertreiben. Der Erzbischof des nicht allzu weit entfernt gelegenen Städtchens Köln am Rhein hat die Einladung eines örtlichen Würdenträgers, der namentlich nicht bekannt ist, nur allzu gerne angenommen. Er sieht den Tisch bereits gedeckt mit vielen leckeren Dingen, er reibt sich in Gedanken schon den Bauch und freut sich auf einen tiefen Schlaf, hervorgerufen durch eine fast schon derbe Völlerei, die er eigentlich nicht beabsichtigt, doch wer kann schon nein sagen, wenn sich die Tische unter großen Mengen Essen durchbiegen?

Just bei dem Gedanken tritt ein stattlicher Sechsender auf die kleine Lichtung, an deren Rand die beiden stehen. Siegfried nimmt sachte seine Armbrust von der Schulter, nimmt Maß, lässt sich Zeit; das Tier scheint arglos zu sein und nichts von seinem Schicksal als leckerer Braten zu ahnen. Er wird ihn so gut treffen, dass die Beute nicht unnötig lange zu leiden hat.

Der Finger am Abzug krümmt sich, gleich schießt der Pfeil mit tödlicher Präzision auf sein Ziel zu, das erste Wild, das an diesem Tag sein Leben verliert- selbstredend für einen richtig guten Zweck, namentlich besagte Völlerei.

 

Ein Schrei zerfetzt die beinahe absolute Stille, das Tier macht sich vom Acker und der Pfeil saust ins Dickicht, auf Nimmerwiedersehen, eigentlich ein tolles Sammelobjekt für jeden Geschichtsfreund, da Siegfried ihn nicht aufsammelt, um nicht an die Begebenheit erinnert zu werden; doch bis heute wurde das Geschoss nicht aufgefunden.

Außer sich vor Wut reiten die beiden Würdenträger auf die Quelle des plötzlichen Lärms zu. Die Orientierung wird ihnen leicht gemacht, weil das Lärmen kein Ende nimmt, im Gegenteil- es wird immer lauter, als wäre ein großes Getümmel im Gange- besorgt schauen sich beide an, ob sich da nicht etwa ein Scharmützel abspielt, womöglich reiten sie direkt auf eine Räuberhorde zu. Nichts davon ist ausgeschlossen und gerade, als sie den Entschluss gefasst haben, lieber kehrt zu machen, trifft den werten Erzbischof etwas hartes am Kopf, so dass der bedauernswerte Mensch zu Boden stürzt.

Dem anonymen Würdenträger schießt das Blut geradezu aus dem Gesicht, denn das Jagen hat mehr als nur den reinen Zweck, viel Essen auf den Tisch zu bringen. Er hofft auf die Gunst des Erzbischofs, die ihm mehr als nützlich wäre. Doch auf die braucht er nicht zu setzen, wenn irgendwelche wildgewordenen Horden das Wild verjagen und dann auch noch den Adligen mit Wurfgeschossen von den Beinen holen.

„Das fängt ja alles ganz toll an!“, grummelt er, während er sich bückt, um nach seinem prominenten Gefährten zu schauen. Der liegt mit geschlossenen Augen und einer rasch an Größe zulegenden Beule auf der Stirn da, zum Glück ruhig atmend, so dass schwerere Verletzungen fürs Erste ausgeschlossen werden können. Er entdeckt zudem kein Blut, was seine Hoffnung nährt, dass Siegfried von Westerburg keinem Attentat zum Opfer gefallen ist, sondern… Was auch immer da vorgefallen ist.

Ehe er recht darüber nachdenken kann, was da jetzt geschehen war, bricht etwas durch das Dickicht des Waldes. Äste knacken, Blätter rascheln; der Mensch stellt sich auf, bereit, mit seinen bescheidenen Mitteln um das nackte Leben zu kämpfen. Er bereut es sehr, seine Wachen weggeschickt zu haben, im Glauben, dass sie auf sicherem Gebiet unterwegs seien. Es hat in der Vergangenheit keine Vorfälle gegeben, dieser Bereich des Niederrheins ist friedlich und gesetzestreu. Deshalb sollten seine Wachen in anderen Waldteilen jagen,  um möglichst viel Wild auf den Tisch zu bekommen. Er ärgert sich sehr über die eigene Naivität und hofft, dass mit den anrückenden Menschen wenigstens etwas zu reden sei. Sie müssen ja nicht erfahren, wen sie da niedergestreckt haben. Vielleicht sollte er dem Erzbischof noch schnell Schlamm ins Gesicht und auf die Kleidung schmieren, um ihn so wirken zu lassen, als könne bei ihm kein Geld geholt werden.

Dafür ist es allerdings zu spät. Aus dem Gebüsch dringen unzählige Menschen, Jung und Alt, Frauen wie Männer, hervor und umringen die beiden Jagdgefährten. Auf Gegenwehr braucht der lokale Adlige nicht zu setzen, die würde ihm nur Beulen und Schrammen bringen. Vielmehr muss er alle Hoffnung auf eine Art Diplomatie setzen- sprich- dass er sich und Siegfried mit warmen Worten retten kann.

Doch ehe er etwas sagen kann, haben sich gleich mehrere Männer gebückt und jetzt heben sie den Bewusstlosen hoch, während einer, ein Bär von einem Mann, dem Adligen kräftig auf die Schultern schlägt und gut gelaunt ruft: „Aufi geht´s, bringen wir dich und deinen Kumpel schnell ins Dorf, wo wir ihn versorgen können.“

Der lokale Blaublütler ist so perplex wegen allem, dass er gar nicht auf die Frechheit eingeht, die darin besteht, dass ihn der Mann einfach geduzt hat und der Erzbischof einfach an seiner feinen Garderobe angepackt wird, als sei er irgendjemand.

 

Zum Glück müssen sie nur eine kurze Strecke zurücklegen. Bald liegt Siegfried von Westerburg auf einem sehr einfachen Bett, bestehend aus einer wackligen Holzkonstruktion und Blättern als Federung. Eine ältere Frau und ein zahnloser älterer Mann kümmern sich um die reglose Gestalt, bald ist die Beule mit einer stark riechenden Salbe und einem sehr einfachen Verband versorgt. Beim Adligen kehrt Entspannung ein; die Menschen wirken nicht wie aggressive Gegner. Er muss sich hinterher wohl keine Vorwürfe machen lassen, den Erzbischof leichtsinnig in Gefahr gebracht zu haben.

„Der werte Herr kommt bald wieder auf die Beine“, sagt der Mann, der dem Adligen vorher so kameradschaftlich auf die Schultern geschlagen hat. Der Angesprochene nickt nur schroff, eigentlich will er sich nicht mit dieser einfachen Bevölkerung abgeben, und deshalb denkt er gar nicht daran, einen von ihnen anzusprechen. Dann fällt ihm aber der Grund für die Beule seines Begleiters wieder ein, und so richtet er dann doch ein Wort an die Dorfbevölkerung.

„Kann bitte schön  jemand einen Grund nennen, weshalb der Erzbischof von Köln mit einer Beule hier liegt? War es etwa ein Attentat?“ Er sieht an den fragenden Gesichtern, dass die Leute nichts mit dem Begriff „Attentat“ anzufangen wissen. Das beruhigt ihn zusätzlich, weil die Wahrscheinlichkeit quasi in Richtung Null gesunken ist, dass sie Ziel eines Anschlags geworden sind. Zudem scheinen die Dorfbewohner nicht besonders ehrfürchtig zu sein, der Titel des Siegfried von Westerburg keine Bedeutung für sie zu haben. Weshalb sie höchstwahrscheinlich wirklich keinen Angriff durchgeführt hatten.

„Das war ein Versehen“, quiekt eine leise Stimme. Vor den erstaunten Augen des Adligen schiebt sich ein Knirps vor die Erwachsenen und betrachtet den Fremden seinerseits mit großen Augen. Das Staunen wächst, als der Junge einen Brotlaib in die Höhe hebt, der mit seiner flachen und runden Form eher außergewöhnlich ist.

„Was möchtest du mir mit diesem Laib Brot sagen, Junge?“, fragt der Adlige unwirsch. Er hofft auf eine baldige Genesung des Gastes, damit sie schnell wieder von dort fort kämen. Ein leichtes Hämmern kündet eine Migräne an, Zeichen für größtes Unwohlsein. Es hat seinen Grund, weshalb er sich unter Seinesgleichen aufhält, auf den Gefilden seiner kleinen Burg, die mehr ein großes steinernes Haus als eine Wehranlage ist.

„Das ist ein UFO“, antwortet der Junge stolz.

Das Hämmern verstärkt sich. „Ein was?“, hakt der Adlige nach, wider besseren Wissens und Wollens, aber da er schon einmal eine Unterhaltung angefangen hat, muss er sie seinem Verständnis nach auch zu Ende führen.

„Du musst das schon richtig sagen“, weist ihn eine freundlich lächelnde Frau an. „Es handelt sich bei diesem Brot um ein Unförmiges Flugobjekt, weil es durch die Luft fliegen kann,  wenn es richtig geschleudert wird. Zeig´ es dem Herren, Friedemann.“

Der Junge nickt, strahlend bis über beide Ohren, stellt sich in Position; er wirkt dabei so ein bisschen, als würde er sich alles Mögliche verrenken. Er dreht die Scheibe ein und lässt sie dann mit einer ruckartigen Bewegung los. Der Adlige muss sich eingestehen, dass ihn die Sache beeindruckt. Das Brot fliegt weit und landet fast außer Sichtweite auf dem laubbedeckten Boden. Ihm gehen alle mögliche Sachen durch den Kopf. „Wie kann das sein? Wie kann ein Brot so fliegen?“ In Gedanken stellt er ich eine Schlacht vor, bei der statt Pfeile und Speere Brote fliegen, die die Kämpfer in Ohnmacht versetzen, aber nicht töten. Er findet die Vorstellung zugleich witzig (hält sich aber vom Lachen ab, es gilt schließlich, die Würde zu wahren) und schön, denn wen erfreut schon ein Feld voller Leichen? Aber gut, sagt er sich, darauf lässt sich sowieso niemand ein. Leider!

„Das haben wir den Frauen der „Marienbruderschaft Merbeck“ zusammen mit der „Frauengemeinschaft“ zu verdanken“, erklärt der Schulterklopfer.

„Wem, bitte schön?“

 

Vier Frauen treten vor ihn, allesamt mit rußgeschwärzten Schürzen. „Schuldig“, sagt eine von ihnen, alle lachen, nur der Adlige runzelt die Stirn, nicht verstehend. „Seht her“, führt eine zweite Frau aus der Runde  fort, „unser Ort – Merbeck – genannt, wie Ihr gerade gehört habt, wurde vor fünf Jahren gegründet. Zu diesem Anlass haben wir Brot gebacken, wohlschmeckendes Brot, Laibe, wie sie sich gehörten, mit einer entsprechenden Konsistenz, die einem das Wasser im Munde zusammenlaufen ließen.“

„Allerdings“ rufen mehrere Dorfbewohner.

„Doch Hilda hier hat einen Laib vergessen und als sie ihn endlich aus dem Ofen geholt hat, war das Brot steinhart geworden. Biohart hier (sie deutet auf den Schulterklopfer) hat gemeint, dass der nur noch zum Hasen jagen gut sei und hat ihn fortgeschleudert. Was haben wir gestaunt, wie gut er geflogen ist. Das war der Anfang des Wettbewerbs, den wir jedes Jahr am Datum der Dorfgründung durchführen. Dabei gilt es, den Brotlaib weiter als alle andere zu schleudern. Der kleine Friedemann ist ganz gut darin, auch die kleine Heidelinde, die sich im Moment versteckt hält, weil sie Fremden gegenüber scheu ist.“

Der Adlige ist wider Willen beeindruckt. Es juckt ihn, diesen besonderen Brotlaib einmal durch die Gegend zu schleudern. Er muss daheim ja niemand davon erzählen, die primitiven Einwohner des winzigen Dörfchens werden nie im Leben jemand von gehobenem Stand davon erzählen können und der Erzbischof liegt immer noch ohnmächtig auf seiner einfachen Liege.

„Ich werde es auch einmal versuchen“, sagt er mit fester und überzeugter Stimme. Die Menschen freuen sich, sie hätten sich niemals träumen lassen, dass eine wichtige Persönlichkeit einmal ihren erfundenen Sport durchführen würde.

(Wesentlich später wird eine Plastikscheibe, die bevorzugt durch Parks geworden wird, Furore machen und als „Frisbee“ bekannt werden. Das alles ungeachtet, dass am Niederrhein im Mittelalter dieselbe Form als Brot durch die Luft geworfen wurde (und die eigentliche Erfinderin unbenannt blieb)).

Das sei nur am Rande erwähnt. Wichtiger ist, dass der unbenannte Blaublütler vom Niederrhein keine Ahnung hat, was er mit diesem Stück Brot anrichten wird.

 

Ende Teil 1 | Mehrteiler und Fortsetzung folgt …
» weiter zu Teil 2

INFO

 

Genial! Mit viel Fantasie! Fühle Dich zurückversetzt in ein Merbeck Jahrgang 1280! Eine Geschichte von Peter Albra Brenner über Merbeck und dessen Bräuche, Vereine, Historie, … in einer fiktiven Geschichte erzählt.

 

#heimatförderung #mehrteiler #merbeckkennenlernen #vereine #dorfgeschichte #historie

 

Quelle | Autor Peter Albra Brenner
Veröffentlichung | Teil 1 im Februar, Teil 2 im April, Teil 3 im Mai, Teil 4 im Juni

© 2024 Peter Albra Brenner