Mehrteiler | Der besondere Ort mit den besonderen Vereinen!
4. Teil von 4 | Ein Mehrteiler über Merbeck
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Die Pause dauert lange. Sie strapaziert die Geduld des Gastes, doch er sieht auch, wie es hinter Gunthers Schädeldecke arbeitet. Er versteht ganz genau, dass es keinen Sinn macht, den Menschen zu stressen. Es ist offensichtlich, dass er die Geschichte nur ungern an den adligen Gast weitergibt. Also wartet er, bis Gunther von den Reservisten bereit ist, weiterzumachen.
Fünf Minuten später versteht der Adlige den Grund des Zögerns ganz genau und hat vollstes Verständnis dafür. Die Angelegenheit ist so peinlich und merkwürdig, dass sie in keiner Geschichtsschreibung auftaucht. Missverständnis reihte sich an Missverständnis, so dass alle Beteiligten über das schwiegen und schweigen- der Adlige ist der Erste, der einen Eid auf sein eigenes Haus schwört und noch dazu einen Heiligen bemüht, damit auch jedem klar ist, wie ernst ihm der Schwur ist.
Es ist das eine, einem Gerücht zu folgen, weil der Stand und die Ehre drängen, noch dazu, wenn es so glaubhaft dargebracht wird, dass es mehr wie eine Tatsache wirkt, denn ein Hirngespinst. Das völlig andere ist dagegen, ein prestigereiches Turnier zu verpassen, eben weil man auf Hörensagen hereingefallen ist, auch wenn das erst bei Erreichen des Ziels offensichtlich geworden ist. Weder der niederrheinische Adlige noch die Dorfbewohner ahnen, dass acht Jahre später ein tatsächlicher Krieg den momentan außer Gefecht gesetzten Erzbischof betreffen wird, mit keinem guten Ende für ihn. Der verhinderte Turnierritter war jedenfalls in Richtung Köln aufgebrochen, damals, um den scheinbar in Bedrängnis geratenen Vorgänger des Siegfried von Westerburg zu unterstützen. Der aber von keiner Not gewusst hatte, seinem „Retter“ aber großmütig gedankt, der natürlich schnellstmöglich das Weite gesucht hatte.
„Da wärst du auch ganz schnell abgehauen“, wirft Biohart dazwischen. „Der Erzbischof war mitten in einer feierlichen Prozession, die hat der Möchtegern Retter gewaltig gesprengt. Kinder und Frauen haben um die Wette gekreischt, viele Zuschauer sind vor Schreck in den Rhein gefallen und die schön gedeckten Tafeln sind von ein paar aufgescheuchten Pferden glatt über den Haufen gerannt worden. Das war ein Tohuwabohu, das lass´ dir mal gesagt sein, mein Lieber! Der werte Ritter kann echt von einem Riesenhaufen Glück sagen, dass ihn die Leute einfach gehen ließen!“
Er wiehert so laut vor Lachen, dass der Adlige glaubt, der Erzbischof müsse vor Schreck von seinem Krankenlager fallen.
„Das Beste kommt noch…“
„NICHT!“, fährt Gunter wütend dazwischen. „Du musst das jetzt nicht in allen Einzelheiten ausführen!“
Biohart macht weiter, als wäre nichts gewesen. Da kann Gunther noch so wütend dreinblicken, er findet, der Gast hat das Recht darauf, alles zu wissen. „Wie gesagt- das Beste kommt noch. Das musst du dir jetzt geben, da fällst du glatt vom Hocker! Also…“
„DieFraudesKölnerBürgermeistersistineinFassfrischgebrautenBieresgefallen,weilsieaufeinerAnhöhesitzendvoneinemderaufgescheuchtenPferdeumgestoßenwurde. Da, jetzt ist es raus. Mann, das hättest du aber mal echt verschweigen können!“ Gunthers Augen blitzen, fast wirkt es so, als wolle der Biohart an den Kragen gehen.
Der aber sieht ihn nur kopfschüttelnd an. „Jetzt echt mal, Gunther- das hat keiner verstanden. Selbst die nicht, die die Geschichte schon kennen.“
Alle nicken. Gunther verdreht die Augen.
„Also, langsam, zum Mitschreiben: Da sitzt also die Frau des Bürgermeisters. Schön bequem, auf einer Anhöhe, damit sie ja auch alles sehen kann. Eines der Pferde stürmt auf sie zu, als sei der Leibhaftige hinter ihm her. Tja, wie es der Zufall so will, steht da ein offenes Fass frisch gebrauten Bieres- der Vierbeiner stößt die schreiende Frau Bürgermeister mitten hinein in dieses Fass. Das war der Höhepunkt dieser besonderen Rettungsaktion.“ Biohart grinst wie ein Honigkuchenpferd, die Meute kichert, selbst der Adlige muss sich mit allem was er hat zurückhalten, damit er nicht laut auflacht. Die Szene, die sich bei der Beschreibung vor seinem inneren Auge abspielt, ist auch zu lustig.
Er braucht ein paar Minuten, um sich zu fassen. Dann erklärt er, betont sachlich: „Da ist Schweigen wirklich die beste Option.“
Verglichen mit diesem Desaster ist das hier gar nichts, befindet er und fühlt sich um einige Nuancen besser. Im Vergleich zu diesem armen Tropf von Ritter hat er sich praktisch nichts zu Schulden kommen lassen. Dein Namen ist für alle Zeiten mit einem Flecken Schande versehen, erklärt er dem anonymen Fettnäpfchen Treter.
„Ist sein Name irgendwo notiert? Wird er sich wohl nie wieder in Köln und bei weiteren Höfen sehen lassen können?“ Die Frage treibt ihn um; sie wird durch das Kopfschütteln der Dorfbewohner beantwortet. Er fühlt eine starke Erleichterung, obwohl er den Adligen nicht kennt.
Das abgehakt, geht er zum nächsten Punkt über, der zu klären ist, und stellt die eine Frage, die ihn stark beschäftigt:. „Was war mit dem Knappen? Tauchte er wieder auf?“
„Schon. Wir kürzen die Geschichte ab. Er hat sowieso nicht viel rausgelassen. Ich sehe heute noch seinen hochroten Kopf vor mir.“ Großes Gelächter folgt Gunther Aussage und im Anschluss ein im Chor gerufenes „Wir auch!“
Was bekomme ich jetzt wohl für eine Geschichte aufgetischt? Der Adlige rechnet mit allem.
„Er hat nie damit herausgerückt, was für ein Geschöpf es gewesen war, dem er hinterher gejagt ist“, erzählt Gunther. „Gefangen hat er es jedenfalls nicht.“
„Er hätte sich selbst als ein Fantasiewesen ausliefern können, so wie der aussah!“, wirft Biohart ein, von Ohr zu Ohr grinsend.
„Er muss durch den halben Wald gejagt sein; er war von Kopf bis Fuß voll Schlamm, bedeckt mit Kratzern und einem prächtigen blauen Auge.“ Erneut lachen alle. Gunthers wartet, bis sich alle beruhigt haben. „Wahrscheinlich hat ihn das gerettet. Sein Meister hatte ganz offensichtlich Mitleid mit ihm.“
Der Adlige weiß nicht, wie er das einordnen soll. Er hätte wahrscheinlich auch Mitleid gehabt und den Unglücklichen wieder in die Ausbildung aufgenommen. In der Hoffnung, dass ihm die Episode eine Lehre wäre und er sich fortan auf seine Aufgaben konzentrierte. Ansonsten war er wohl eher nicht als Ritter geeignet.
„Besteht denn noch Kontakt zu deinem ehemaligen Ausbilder?“, will der Adlige wissen.
„Er sendet mir hin und wieder eine Botschaft, wobei er seinen Knappen nie erwähnt. Er sendet mir nur die besten Grüße und äußert seinen Wunsch, einmal hierher zurückkehren zu wollen.“
„Das kann ich verstehen. Ihr habt hier einen bemerkenswerten Ort, mit wirklich äußerst bemerkenswerten Menschen. Auch ich möchte ihn deshalb des Öfteren besuchen kommen.“
„Hört, hört! Das ist doch mal ´ne klasse Ansage!“, röhrt Biohart und schlägt dem Adligen herzhaft auf die Schultern, so dass der beinahe das Gleichgewicht verliert. Ganz allmählich irritiert ihn dieser gutgelaunte Untertan, der scheinbar nichts von gebührenden Distanzen zu Würdenträgern hält. Aber dann, sagt er sich, er hätte es auch schlimmer treffen können. Wenn sie in Feindes Hand geraten wären, hätte er sich mit völlig anderen Problemen herumzuschlagen. Und vielleicht kann er diesem Biohart die Angewohnheit auch noch austreiben. „Alles zu seiner lieben Zeit“, sagt er sich.
„Alles zu seiner sehr, sehr lieben Zeit!“, revidiert er sich, weil ihn dieser scheinbar stets bestens aufgelegte Biohart erneut auf die Schultern schlägt, nur Augenblicke nach dem letzten Mal. Und diesen „Übergriff“ sofort wett macht: „Jetzt wollen wir uns erst einmal kräftig stärken, Bruder! Die Frauen haben wieder ein tolles Festmahl zubereitet.“
Das gefällt dem Gast, der auf reichlich bedeckte Tische blickt, die nicht nur Brot und Getreidegerichte mit Wurzeln tragen, sondern auch Wildfleisch. Letzteres missfällt ihm, weil das Jagen dem Adel vorbehalten ist. Diese einfachen Menschen sollten sich besser an Fische und Viehfleisch halten, anstatt ihm die Beute streitig zu machen.
„Ist für einen guten Zweck“, erklärt Biohart ungefragt. Sein Gesicht zeigt zum ersten Mal keine Fröhlichkeit, vielmehr erklärt es dem Landesherren, dass er deshalb besser keine Szene veranstalten sollte. Nickend gibt er zu verstehen, dass er sich zurückhalten wird. Ich werde dennoch später einige Worte mit dir Wechseln, Biohart, du freundlicher Unhold! Den Gedanken behält er bei sich.
Das gesamte Dorf sitzt in einem ausgedehnten Kreis um die Tische, es werden einige warme Worte gesprochen, der Adlige wird mehrfach lobend erwähnt, alle nicken dem Gast freundlich zu, er erhält viel Beifall, was ihn einigermaßen besänftigt. Er mag die Dorfbewohner, wie gesagt, keine Selbstverständlichkeit in damaligen Zeiten, als die Mitglieder der niedrigen Stände nur gut zum Steuereinbringen waren und ansonsten ignoriert wurden.
Der Adlige kommt der von den Dorfbewohnern ausgesprochener Bitte nach einer Ansprache gerne nach; die hält er extra kurz, um die Hungrigen nicht über Gebühr warten zu lassen. Kaum ist die Tafel endlich freigegeben, stürzen sich einige jüngere Einwohner auf das Essen. „Wie die Geier!“, röhrt Biohart und pfeift die Meute zurück. „Seid ihr im Schweinestall aufgewachsen?“ Heute eine gängige Redensart, um seinen Zeitgenossen deutlich zu machen, wir sehr ihr Benehmen gegen die Etikette verstößt, musste er sich damals von einigen anhören: „Ja, das weißt du doch!“
Der Hüne verdreht die Augen, grummelnd, und packt die Dreisten an den Kragen, um sie zurück auf ihre Plätze zu bugsieren. „Das ist doch wirklich die Höhe!“, sagt er, kopfschüttelnd.
„Was geht denn, Alter?“, ruft einer von ihnen, sehr entrüstet.
„Ich geb´ dir gleich „Alter“!“
„Ja aber, was geht denn nu? Wir schieben Kohldampf!“
„Der Gast kommt zuerst. Danach könnt ihr euch bedienen! Also echt, ich muss mal ein Wörtchen oder zwei mit Gabriella reden. Die muss das euch von der Kaulquappen Jugend noch einmal richtig einbläuen!“
„Hat sich was mit „Kaulquappen Jugend“, Biohart! Ich würde es doch sehr begrüßen, wenn du endlich diesen ausgesprochen doofen Spitznamen weglassen würdest!“ Der adlige Gast hält sich zum wiederholten Mal vom Lachen ab. Das Bewahren der Etikette geht über alles. Doch es sieht einfach niedlich aus, wie sich eine Dame vor dem Hünen Biohart aufbaut, als wollte sie ihm im wahrsten Sinne des Wortes den Kopf waschen. Dazu müsste sie sich eine Leiter besorgen, da sie ihrem Gegenüber gerade einmal bis zur Brust reicht.
„Du musst aber zugeben, dass er besser als die anderen Witznamen ist. Besser als „Käse Jugend“, Katzenjäger, Klettertierchen…“
„Es tut mir leid; wie Ihr seht, ist unser Biohart ein echter Rüpel“, sagt die Frau, an den Gast gewandt. Der Edelmann nickt und bewahrt nach wie vor nach außen, dass er im Inneren herzhaft lacht.
„Im Letzten steckt noch nicht einmal das Buchstabe J, außerdem hast du die ganzen Spitznamen in die Welt gesetzt! Kein anderer käme auf solche merkwürdigen Namen! Und jetzt noch einmal laut, damit du es dir endlich merkst und damit aufhörst. Das heißt „Katholische Junge Gemeinde“. Echt jetzt, Biohart- was soll nur unser Gast von uns denken?“
„Du meinst, weil du dich ihm nicht vorgestellt hast?“, schießt Biohart zurück, anscheinend völlig unbeeindruckt von der Zurechtweisung.
Dafür erhält er den nächsten finsteren Blick. „Entschuldigt, Biohart hat ausnahmsweise mal Recht. Mein Name ist Gabriella, ich leite die Katholische Junge Gemeinde zusammen mit meinem ältesten Sohn, Nikolaus, der sich zur Zeit nicht am Ort befindet.“
Der Adlige nickt ihr zu. „Entschuldigt Ihr nun bitte, ich sollte jetzt wohl den Reigen eröffnen. Bevor eure Jugendlichen am Ende noch verhungern.“ Das gesagt, schreitet er zu den Tischen und lädt sich den Teller gediegen voll. So, dass seinem Empfinden nach keiner Angst bekommt, dass er nichts mehr abbekäme und zugleich keiner denkt, er rümpfe vor dem Essen die Nase.
Danach stürmt die scheinbar ausgehungerte Meute der Jugendlichen das Buffet; die nächste Zeit vergeht in friedevoller Stille, weil jeder mit Essen beschäftigt ist.
Sie dauert allerdings nicht lange an. Biohart fällt es offenbar schwer, länger als fünf Minuten ohne ein Wort gesprochen zu haben neben dem Gast zu sitzen. In der heutigen Zeit würde er wahrscheinlich einen Podcast nach dem anderen verfassen.
„Weißt du“, sagt er, den Mund voller Essen, was der Gast erneut versucht zu ignorieren, „nachher kannst du wieder einen Wettbewerb erleben.“
Das Wort „Wettbewerb“ löst beim Adligen an Angstzustände grenzende Gefühle aus. Er sieht den Erzbischof von Köln voller blauer Flecken, geschwollenen Augen und Wunden und hört ihn gar, wie er seinem Gastgeber die Leviten liest und erklärt, dass er nie wieder einen Fuß an den Niederrhein setzen wird und überhaupt die Verbindung gänzlich gestorben sei.
Wenn du dereinst gestorben bist, wird dein Mundwerk extra beerdigt werden müssen, weil es ansonsten einfach weiterläuft, denkt sich der unglückselige Edelmann in Bezug auf den Bürger Biohart.
„Keine Angst, dieses Mal wird nichts durch die Gegend geschleudert“, mischt sich einer der Dorfbewohner ein. „Vielmehr werden wir feststellen, wer das beste Federvieh am Ort hat.“
Der Adlige atmet auf und lässt sich das Essen wieder schmecken, das von der Qualität natürlich nicht an das heranreicht, was seine Köche zubereiten, aber es ist lecker genug, so dass er es rundum genießen kann. Jetzt umso mehr, da er von dem harmlosen Wettbewerb gehört hat.
„Gestatten, dass ich mich vorstelle- mein Name ist Martinus, ich stehe den Züchtern unseres dörflichen Federviehs vor. Wir veranstalten den Wettbewerb stets an dem Tag der Gründung Merbecks.“
„Sie denken aber auch darüber nach, ihn mehrmals im Jahr zu machen“, fährt Biohart dazwischen.
„Wenn wir dazu genügend Tiere haben. Ich will ja niemanden anschauen, aber so mancher Zeitgenosse hat dann doch einen ausgesprochen gesunden Appetit!“
„Was kann ich dazu, dass ich so gebaut bin?“ Der Gast verschluckt sich beinahe, weil Biohart ehrlich entrüstet scheint. Auch das sieht niedlich aus, ehrlich noch dazu, wie ihm auffällt. Am Hofe herrscht ihm allzu oft ein ungesundes Konkurrenzdenken, zudem vermisst er zuweilen eine offene Ehrlichkeit. Da sind ihm Untertanen wie Biohart viel lieber, die einem gelegentlich auf die Nerven gehen mit ihrem vielen Geschwätz, dafür aber vor Ehrlichkeit nur so strotzen. Eine Ehrlichkeit, die das gesamte Dorf auszuzeichnen scheint. Fürwahr, das ist ein bemerkenswerter Ort, denkt der Adlige zum wiederholten Mal bei sich, als ein Aufschrei das gesellige Beisammensein unterbricht.
„Willst du das wohl sein lassen!“
„Was ist denn los, Chlothilde?“, ruft Martinus quer über die essende Meute hinweg.
Nichts mit dem Erzbischof, nichts mit Siegfried von Westerburg, nein, nein, alles nur das nicht. Er ruht in Frieden auf seinem Lager und nichts stört seinen Genesungsschlaf! Der Edelmann lässt dieses Mantra wie ein Band in seinem Kopf laufen, als könnte er damit höchstpersönlich für die Unversehrtheit seines prominenten Gastes aus Köln sorgen.
„Dein geliebtes und überaus geschätztes Huhn hat sich einen ganz besonderen Legeplatz ausgesucht!“, ruft die Frau namens Chlothilde zurück.
Nicht doch!, schießt es dem Adligen durch den Kopf, während er aufsteht und Biohart und Martinus folgt, die zu seinem Entsetzen auf den Krankenraum zusteuern, aus dem aufgeregtes Gegackere dringt.
Sein Kopfkino liefert die fürchterlichsten Bilder. Ein wutentbrannter Siegfried von Westerburg steht in seinem Haus, von Kopf bis Fuß in Eigelb bedeckt, das mit seiner klebrigen Eigenschaft alle Federn sämtlicher Vögel in greifbarer Nähe an der Form des Erzbischofes haften lässt. Das einzige, das klar erkennbar ist, ist das in tiefstes Rot getauchte Gesicht des prominenten Kölner Gastes.
Von dem ist allerdings nichts zu sehen, als sie an der Liege stehen. Sein Umhang zeugt als einziger davon, dass hier ein prominenter Kölner gelegen hatte. Selbigen Umhang hat sich ein Huhn als Nest auserkoren. Ein schönes Ei liegt am oberen Rand, dort, wo der Halsansatz ist. Stolz gackert es um sein Legeprodukt herum, seine Spuren werden wahrscheinlich nie mehr zu beseitigen sein. Nun kaufte man im Mittelalter seine Kleidung nicht von der Stange, selbst sogenannte „Alltagskleidung“ war in mühevoller Handarbeit hergestellt und kostete- im Gegensatz zur wirklich sehr einfachen Kleidung der Bevölkerung des niedrigen Standes- ein beträchtliches Sümmchen. Ganz zu schweigen davon, dass die meisten Kleidungsstücke echte Unikate waren, die nicht leicht ersetzbar waren.
Die Kleidung bereitet dem Adligen allerdings weniger Kopfzerbrechen, da es eine wesentlich drängendere Sache gibt. „Wo ist Siegfried von Westerburg? Warum liegt er nicht mehr hier, seit wann ist er nicht mehr hier?“
Achselzucken, ein echter Reigen davon, erhält er zur Antwort. „O Tempora O Mores!“, ruft er in seiner völligen Verzweiflung. Die Dörfler schauen betroffen zu Boden, einer von ihnen, Timotheus genannt, notiert sich den Ausruf, wobei er allerdings „Thomas Morus“ versteht, irgendwie bleibt das an ihm haften. Er gründet mit anderen eine Vereinigung, die Menschen in Not helfen will, und diese Vereinigung erhält diesen Namen, in Erinnerung an jenen denkwürdigen Tag, der so voller Ereignisse war. Das Vorhaben hatte schon lange in der Warteschleife gehangen.
„Könntet ihr eventuell in Erwägung ziehen, eine Suchaktion zu starten?“, fragt der Adlige, als sich gar keiner regt, als warteten sie auf ein Signal oder einen Befehl oder etwas in der Art, als könnten sie nicht von alleine auf das Offensichtliche kommen.
Es werden Gruppen gebildet, danach ziehen sie in alle Richtungen davon, um jeden Quadratmeter abzudecken. Keiner ist besonders besorgt, alle gehen davon aus, dass sie den Erzbischof bald wohlbehalten auffinden werden. Die Leute scherzen miteinander, während der Adlige beinahe inbrünstig um Gedächtnislücken bei seinem prominenten Gast betet.
Dabei bleibt es nicht. Er wird richtig kreativ, spinnt dabei eine Geschichte, die an mit Phantastischem gespickt ist, und das Kunstwerk fertigbringt, dabei nicht die Bodenhaftung der Glaubwürdigkeit zu verlassen. Er ist stolz auf sich und seine Leistung und mit ein bisschen Ehrgeiz hätte er es zu einem mittelalterlichen Fantasy Schriftsteller bringen können. Doch er will nicht mehr, als die Gunst des Erzbischofs zu erhalten und behalten. Dazu braucht es dieses Gespinst aus Wahrheiten und Halbwahrheiten. „Und am besten, dass ihm einer die Erinnerung an dieses Merbeck aus dem Gehirn pustet, bis nichts mehr davon übrig ist.“ Mit diesem gemurmelten Satz auf den Lippen macht er sich daran, den Erzbischof aufzuspüren.
Ende Teil 4 | Und wir glauben, dass es eine Fortsetzung gibt …
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INFO
Genial! Mit viel Fantasie! Fühle Dich zurückversetzt in ein Merbeck Jahrgang 1280! Eine Geschichte von Peter Albra Brenner über Merbeck und dessen Bräuche, Vereine, Historie, … in einer fiktiven Geschichte erzählt.
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Quelle | Autor Peter Albra Brenner
Veröffentlichung | Teil 1 im Februar, Teil 2 im April, Teil 3 im Mai, Teil 4 im Juni
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